Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Frauenkulturbüro NRW und wird gefördert vom Land NRW.

Zum Jubiläum der 200-jährigen Freundschaft zwischen Georgien und Deutschland präsentiert das Museum Goch das Kunstprojekt TAVDIAN. Die Kuratorin Maria Wildeis, das Frauenkulturbüro NRW e.V. und das Museum Goch beteiligten sich bereits an einer vorausgehenden Ausstellung im Juni im CCA – Center for Contemporary Art Tbilisi, mit 20 Künstlern aus beiden Ländern.
Die Werke von Caroline Bayer (Berlin), Ana Chaduneli (Rustavi, Georgien), Patrick Rieve (Köln) und Kote Sulaberidze (Tiflis, Georgien) bieten zwischen klassischer Malerei und Neuen Medien einen spannenden Einblick in das Land Georgien und den gemeinsamenen Austausch und regen zudem die Auseinandersetzung mit den künstlerischen Praktiken der Gegenwart an.
Kote Sulaberidze (Tiflis, Georgien) ermöglicht mit seinen Malereien sehr persönliche Einblicke als Zeitzeuge in die konfliktreiche Vergangenheit des Landes Georgien. In seinen Malereien setzt er auch Schrift und Symbole ein, um Kartografien und Kataloge zu erstellen. Die angeborene Farbsehstörung des Künstlers umfängt die sehr gesättigten Farbräume mit einer besonderen Qualität. Der Künstler präsentiert zwei seiner Arbeiten, die persönliche und historische Ereignisse in einem Land vieler politischer Umbrüche künstlerisch manifestiert. Sulaberidze ist 1968 in Tiflis geboren und beteiligt sich seit Jahrzehnten an internationalen Ausstellungen.
Caroline Bayer ist Berliner Installationskünstlerin, die 1973 in Stolberg (Rhld) geboren wurde und an der Kunstakademie Münster bei Maik und Dirk Löbbert als Meisterschülerin abschloss. Ihre Installationen sind streng ortsbezogen: die Geometrie oder der Grundriss des Raumes, wie auch soziale und historische Bezüge zu Architekturen werden in Plastiken und Objektkompositionen übersetzt. Bayer zeigt in Goch eine Plastik, die das Verkehrsministerium in Tiflis, ein faszinierender Beton-Brut-Bau aus den 1970er Jahren, thematisch aufgreift.
Auch die Zeichnungen von Patrick Rieve (1971 in Jülich geboren, Studium der visuellen Kommunikation an der HfbK Hamburg, lebt in Köln), ermöglichen einen Blick auf den Austausch von TAVIDAN. Zeichnungen, die im Zusammenhang mit dem Projekt entstanden sind und erstmals in der Ausstellung in Tiflis unter dem Titel: „Die letzten Fragen“ gezeigt wurden, bindet der Künstler zu einem Magazin, das vor Ort ausgestetllt wird.
Ana Chaduneli ist 1990 in Rustavi, Georgien, geboren und zeigt in ihren Kompositionen, Videoarbeiten und Objekten eine sehr junge, persönliche Ausdrucksweise im gegenwärtigen Kunstdiskurs. Sie wird eine Videoarbeit für das Museum Goch konzipieren.

Das Museum Goch fördert seit 2013 den Künstlerinnenaustausch mit dem Frauenkulturbüro NRW e.V. zwischen Deutschland, Georgien und Armenien und steht so in einer persönlichen, freundschaftlichen Nähe zum Kaukasus.

Ein begleitender Katalog dokumentiert den künstlerischen Austausch u.a. mit Texten von Prof. Dr. Ludger Schwarte (Professor für Philosophie an der Kunstakademie Düsseldorf).

www.tavidan.net

Paul Wiedmer, geboren 1947 in Burgdorf (CH) erhält seine ersten künstlerischen Impulse als Assistent von Bernhard Luginbühl. Schon bald lernt er in Paris Jean Tinguely kennen. Gemeinsam mit Daniel Spoerri, Niki de Saint Phalle wird das künstlerische Umfeld definiert, das Paul Wiedmer in seiner Arbeit nachhaltig beeinflusst und geprägt hat und in das er seine Impulse weitergegeben hat.

Das Werk des Paul Wiedmer ist bereits in zahlreichen Ausstellungen vorgestellt und gewürdigt wurden. Allein in Deutschland blieb bisher eine umfangreichere Rezeption weitgehend aus.

Das Museum Goch möchte im Sommer 2016 erstmals die Werkgruppe der objets boudlés in Deutschland zeigen.
Die 26 Skulpturen entstanden zwischen 1974 und 1976. Bereits 1977 wurden sie erstmals in Zofingen gezeigt. Die Idee zu den Werken entstand 1973 auf einer Reise durch Amerika. Paul Wiedmer erinnert sich, dass er dort zum ersten Mal Metalldetektoren sah, die ihn sofort animierten, wie ein Schatzsucher selbst auf Forschungsreise durch die Schweiz zu gehen. Und so durchkämmte Wiedmer seit 1974 den Schweizer Boden und zwar systematisch, d.h. Kantonsweise. Die so entdeckten und an die Oberfläche gebrachten Relikte formte er zu neuen eigenständigen Arbeiten. Auf diese Weise bekam jeder Kanton eine ihm eigene Skulptur.
Diese lokale kantonale Zuordnung ist ein kreatives Spiel, denn es lässt sich kaum eine eigene Genealogie des jeweiligen Kantons aus den Fundstücken ableiten. Die eigentliche Bedeutung der objets boudlés liegt in ihrer Kraft als autonome Kunstwerke. Sie sind im Kontext der Arbeiten von Bernhard Luginbühl oder auch David Smith zu sehen. Die Metallplastiken sind dreidimensionale Skulptur und Zeichnung gleichermaßen. Sie sind Raumzeichnungen, die im Kontext der internationalen Skulptur gesehen werden muss.

Wie bereits von Pablo Picasso oder auch Julio Gonzales in den 30er Jahren formuliert, verliert der gefundene Gegenstand seine eigene Gegenständlichkeit und wird in eine neue Realität überführt. Dabei sucht Wiedmer, anders als seine Vorläufer in diesen Kantonsarbeiten nicht eine neue gegenständliche Welt. Die Form an sich, die rohe Materialität ist das Ziel. Die Zufälligkeit der ausgegrabenen Gegenstände entwickelt aus sich heraus eine neue Form, spielerisch fügen sich Einzelteile zu einem neuen zusammen und geben ihre eigentliche Bestimmung auf, werden auch bis zu Unkenntlichkeit verarbeitet.
In der Raumauffassung und Erschließung des Raumes folgt Paul Wiedmer den Traditionen seiner Vorgänger. Aber auch hier ist es nicht die Erfindung einer neuen Geschichte, einer surrealen Weltfindung, wie man sie zum Beispiel beim frühen Giacometti findet. Es ist vor allem das spielerische Element, das Paul Wiedmer in die künstlerische Nähe von seinem Lehrer Bernhard Luginbühl oder auch Jean Tinguely führt.

Jenseits der kunsthistorischen Bedeutung Paul Wiedmers verweisen die objets boudlés in ihrem konzeptionellen Ursprung auf einen weiteren Aspekt. Die Objekte machen es einmal mehr sichtbar, wie sehr der Boden auf dem wir leben zum Speicher unserer eigenen Vergangenheit wird. Was einst mühsam zum täglichen Broterwerb diente oder auch achtlos weggeworfen wurde, wird von Paul Wiedmer in einen neuen ästhetischen Sinnzusammenhang überführt und zum zweckfreien Kunstwerk transformiert.
So sind die objets boudlés auch Sinnbilder unserer kulturellen Landschaft und damit bedeutsame Repräsentanten eines jeden Schweizer Kantons.

Die Ausstellung wird erstmals den Zyklus der objets boudlés mit Zeichnungen aus dem Atelier Paul Wiedmers konfrontieren. Hierdurch wird die autonome Kraft der Skulpturen einerseits und die künstlerische Kontinuität innerhalb des Werks von Paul Wiedmer anderseits herausgearbeitet.

Ulrich Erben, 1940 in Düsseldorf geboren, studierte in Hamburg, Venedig, München und Berlin. Er gehört seit Mitte der 60er Jahren zu den wichtigen Malern und Zeichner des Landes. Zwischen 1980 und 2005 hatte er eine Professur an der Kunstakademie Münster inne. Der Teilnehmer der documenta VI erhielt zahlreiche Auszeichnungen und lebt in Düsseldorf, Bagnoregio (Italien) und am Niederrhein.
Zum ersten Mal konfrontiert diese Ausstellung die ganz frühen Zeichnungen, die zwischen 1960 bis Mitte der 70er Jahre hinein entstanden sind mit einem aktuellen Gemälde aus diesem Jahr.
Ulrich Erben, der diese Zusammenstellung selbst kuratiert hat, sucht den Blick auf über 50 Jahre künstlerisches Schaffen. Erstmals wird im Museum Goch eine Ausstellung realisiert, die in dieser Konsequenz noch nicht zu sehen war.
Der Verzicht auf zahlreiche Zwischenstufen, lässt einerseits die radikale Entscheidung des Künstlers für das konkrete Bild offenkundig werden. Anderseits zeigen aber bereits die frühen Zeichnungen aus Italien, Spanien, New York und Deutschland, wie sehr Erben an der strukturellen Erfassung der Wirklichkeit interessiert war. Er verfällt nicht in romantische Postkartenmotive in Venedig oder Bilbao, sondern ist auf der Suche nach Klarheit, Struktur und Form. Darüber hinaus werden bereits die malerischen Qualitäten sichtbar. Erben begreift die Farbe nicht als perspektivische Dingbeschreibung, sondern ganz im Sinne der Farbfeldmalerei seiner Zeit.
Neben diesen formalen Kriterien wird deutlich, wie sehr die beiden Kulturlandschaften, das Latium und der Niederrhein, die Kulisse bieten, vor welcher der Maler und Zeichner Ulrich Erben seit den frühen 60er Jahren bis heute ein beeindruckendes und konsequentes künstlerisches Werk entfaltet.
Mit dem für die Ausstellung ausgewählten Gemälde Festlegung des Unbegrenzten, das 2016 in Düsseldorf entstand, findet Erben zu jener kompromisslosen und radikalen Bildform, die sein Spätwerk bestimmt.
In dieser Malerei ereignet sich Raum und Zeit in seiner Unendlichkeit. Das Medium aber ist die Farbe. Die Zeitlosigkeit, in die bereits die frühen Architekturen gesetzt sind, diese Zeitlosigkeit ergreift nun den Betrachter selbst. Jegliche Verortung, jeglicher Versuch Halt zu finden, jegliches Gerüst von Hilfs- und Konstruktionslinien gibt es nicht mehr. Es ist, als sehe man den Himmel offen. Ulrich Erben hat die Perspektive verändert. Das was sich Jahre zuvor noch in den Fenstern und Mauern eingezwängt ereignete, öffnet sich nun in einem scheinbar unendlichen Raum.

Die Ausstellung wird gefördert von der Sparkasse Goch sowie den Stadtwerken Goch.

Der Radiobeitrag WDR5 Scala von Thomas Frank ist in unserer Medienbibliothek – Tonbeiträge 2017 zu finden.

Joep van Liefland ist Gast im Museum Goch im Rahmen des Jubiläumsprojektes der Kunststiftung NRW anlässlich ihres 25jährigen Bestehens.

Joep van Liefland (geb. 1966 Utrecht, NL) widmet sich in seinem künstlerischen Werk dem Thema der Erinnerung oder präziser der Vergänglichkeit von medialen Produkten, bzw. dem Übergang vom analogen zum digitalen Zeitalter.
Seine Arbeit versteht er als eine poetische und ontologische Untersuchung dieses Mediums und deren möglichen Interpretationen und Assoziationen. Der Künstler sammelt seit vielen Jahren analoge Bildträger und deren Hardware, die er auf Flohmärkten und im Sperrmüll findet, um diese für seine raumfüllenden Installationen und seriellen Assemblagen zu verwenden oder monumentale Siebdrucke von ihnen anzufertigen.
Die für Goch konzipierte Arbeit Video Palace #37 – MANIAC lässt sich, so der Künstler  als einen „medialen technologischen Privatkosmos“ verstehen. Durch die Herstellung einer Art Maschinenraum voller Video- und weiteres Speicherequipments knüpft Liefland an die raumfüllende Architekur der 50er Jahre an. In dieser Collage befindet sich der Besucher inmitten eines subjektiven Kosmos und Innenraums, einer Art Zwischenzone zwischen Subjekt und medialem Gerät.
Der Name MANIAC bezeichnet einen der ersten Computer der Nachkriegszeit in Los Alamos. Er ist vor allem entwickelt worden, um die Druckwellen und Explosionsmuster von Nuklearbomben zu berechnen, um diese Waffen weiter zu entwickeln.
Van Liefland interessiert sich nicht für den einmal gespeicherten Inhalt der Video- und Computerdisketten, sondern nimmt die Objekte als Relikte einer vergangenen Zeit, in der es neu war, das jeder, der die benötigte Hardware besaß, selbst bestimmt Ereignisse oder Situationen aufnehmen und für unbestimmte Zeit konservieren und immer wieder abspielen konnte. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Geräte überholt, uninteressant und schlussendlich unbrauchbar wurden. Und obwohl kunsthistorische Referenzen zum Ready-Made, zum Minimalismus und der Pop-Art deutlich sichtbar sind, beschäftigen den Künstler in seiner Arbeit vor allem die philosophischen Aspekte Erinnerung und Tod.
Joep van Liefland lebt in Berlin und studierte Bildhauerei an der Kunstakademie in Utrecht/NL sowie Performance an der University of Kansas/USA.

Aus Anlass des 25jährigen Bestehens der Kunststiftung NRW erhält das Museum Goch als „Geburtstagsgeschenk“ eine Arbeit des niederländischen Künstlers Joep van Liefland für die eigene Sammlung. Die Stiftung hat eine europäische Jury gebeten 25  internationale Künstler nach NRW eingeladen. Diese hat jedem der Künstler eines der 25 ausgezeichneten Museen zugeordnet. Joep van Liefland wurde für das Museum Goch ausgewählt, was schließlich zu der Ausstellung im Jahr 2014 führte.

Jürgen Schadeberg gehört zu den großen Fotografen des 20. Jahrhunderts. Er wurde 1931 in Berlin geboren und bereits als Jugendlicher arbeitete er für die Deutsche Presseagentur. 1950 emigrierte er nach Südafrika. Hier wurde er als freier Fotograf zu einer der zentralen Figuren des einflussreichen Drum Magazins, als einer der wenigen Weißen in der Bildredaktion.

Berühmt wurde Schadeberg durch seine fotografischen Serien, in denen er das Leben der Südafrikaner inmitten des Apartheidregimes portraitierte. Die Begegnung mit dem damals noch jungen Nelson Mandela ließ Schadeberg zu einem wichtigen Fotografen der Antiapartheidsbewegung werden. Mit seinen Fotografien begleitete er den Weg ganzer Generationen im Kampf gegen die Unterdrückung und seine Fotografien wirkten nachhaltig im westlichen Ausland.

In Jürgen Schadebergs Werk befindet sich stets der Mensch im Mittelpunkt. Es sind nicht die Bauwerke, die berühmten Architekturen und Tourismusbilder, die ihn herausfordern sondern der einzelne Mensch in seiner Persönlichkeit und Würde.

Dieser Grundzug findet sich auch in der Serie wieder, die der Künstler mit  „VIVA EUROPA VIVA“ bezeichnet. So entstand ein fotografisches Werk über die Menschen des Kontinents. Der Blick in die Augen, auf die Feste, die Märkte, das Leben im Privaten wie im Öffentlichen, dies vereint sich zu einem einmaligen Bild von Europa.

Es ist eine Hommage an die Vielfalt und die Lebendigkeit des Kontinents im Angesicht großer gesellschaftlicher Veränderungen.

Anja Niedringhaus, 1965 in Höxter geboren, entschied sich früh für den journalistischen Beruf. Bereits mit 17 begann sie für die Neue Westfälische Zeitung ihrer Heimatstadt zu schreiben. In Göttingen studierte sie Germanistik, Philosophie und Journalismus.
Fortan wurde Anja Niedringhaus mit Fotoserien aus den verschiedensten Kriegsgebieten rund um den Globus bekannt. Sie berichtete aus Jugoslawien, Palästina, Afghanistan, Kuweit, Libyen oder dem Irak. Dabei geriet ist immer wieder zwischen die Fronten und mehrfach lebensgefährlich verwundet. 1999 wurde sie mit einer Gruppe von Kollegen im Grenzgebiet zwischen Albanien und dem Kosovo irrtümlich von Flugzeugen der NATO bombardiert. 2001 fotografierte sie die Folgen des Terroranschlags vom 11. September in New York.
2005 wurde sie mit weiteren Journalisten für ihre Berichterstattung mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet.
Am 4. April 2014 wurde Anja Niedringhaus in Afghanistan erschossen. Sie war unterwegs, um von den ersten Präsidentschaftswahlen zu berichten, als ein Polizist mit den Worten „Allahu Akbar“ eine Feuersalve auf sie und ihre Kollegin abgab. Der Schütze gab an, aus Rache für den Tod von Familienangehörigen durch Natoverbän-de gehandelt zu haben.
Seit 2014 wird der Anja-Niedringhaus-Preis als Auszeichnung für Fotojournalistinnen vergeben.

Das Museum Goch zeigt 40 Fotografien aus der Serie „Geliebtes Afghanistan“. Damit setzen wir unsere lose Ausstellungsreihe zum Thema der zeitgenössischen Fotografie fort. 2010 zeigten wir im Rahmen der umfangreichen Übersichtsausstellung zur südafrikanischen Fotografie u.a. den Bildjournalisten Sam Nzima, der 1976 mit seinem Foto aus Soweto vom sterbenden Hector Pieterson eine Ikone der Gegenwartsfotografie schuf. Mit Jodi Bieber oder Cedric Nunn waren international bekannte Fotografen im Museum Goch zu Gast und erst jüngst haben wir mit einer Serie „VIVA EUROPA VIVA“ des deutschen Fotografen Jürgen Schadeberg das Thema der journalistischen Fotografie zwischen Bildjournalismus und künstlerischer Fotografie gewürdigt.
Mit ihren eindringlichen Fotos erzählt die Journalistin von der erdrückenden Realität in Afghanistan, das bis heute zwischen ersten demokratischen Schritten und der Brutalität der Taliban nicht zur Ruhe kommt. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung beschrieb Anja Niedringhaus noch wenige Wochen vor ihrem Tod auf die Frage, wie sie diese Realität überhaupt verarbeite, „Ich passe auf, dass ich nicht zu viele Emotionen hineinbringe. Immer wieder mache ich mir bewusst, dass ich nicht die Hauptfigur bin. Ich soll nur draußen stehen und erzählen. Außerdem spreche ich viel mit Kollegen, um mir Sachen von der Seele zu reden. Manchmal versteht man erst viel später, beim Editieren der Fotos, was man überhaupt gesehen hat. Die Szenen kommen dann mit voller Wucht zurück. Da muss man aufpassen“.
Anja Niedringhaus hat mit ihrer Fotografie unser Bild von Afghanistan wesentlich geprägt. Mehr als Worte haben sich ihre Bilder in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt. Dabei zeugen diese Fotos keineswegs nur von Gewalt und Terror. Sie zeigen auch den liebvollen Blick der Journalistin auf ein Land, das sie selbst immer wieder bereiste. Sie wolle mit ihren Bildern Geschichten erzählen, Geschichten, die sie als Zeitzeugin erleben durfte: „Kriege und Krisen haben viele Facetten, die man beleuchten muss. Doch die interessanten Geschichten passieren oft nicht im Feuergefecht. Ich bin viel mehr am Leben der Leute vor Ort interessiert als an der Ballerei. Ich sitze sicher nicht hier und warte auf den nächsten Anschlag.“

Die Ausstellung stellte exemplarisch das Werk des Leipziger Fotografen Steffen Jung­hans vor. Im Mittelpunkt standen seine bislang wichtigsten Werkgruppen „Einrich­ten“, „Moderne Werkstätten“ und „Kapitulation“, die einen konzentrierten Einblick in sein bildnerisches Denken bieten. Ausgehend von den aktuellen Arbeiten machte die Ausstellung die Vielfalt und die Besonderheit in der Entwicklung seiner visuellen Ideen deutlich.
Steffen Junghans hat – gerade auch in Zeiten digitaler Fotografie – ein zeitgemäßes traditionelles Fotografieverständnis. Er versteht sich als analog operierender Licht­bildner, der Phänomene vor der Kamera sucht und inszeniert, um sie zu einem Bild zu verdichten. Dabei ist er weniger Dokumentarist als Essayist. So wie die Einzelbil­der in ihrer luziden Präzision weitaus mehr als ein bloßes Abbild sind, verdeutlichen die einzelnen Serien und Bilderreihen komplexe Diskurse zu verschiedenen Themen­feldern.
„Einrichten“ (2001) zeigt verschiedene Räume der Universität Leipzig und unter­sucht durch Motiv und Komposition die Tradition wie Perspektive wissenschaftlicher Modelle und deren Verhältnis zum Menschen. „Moderne Werkstätten“ (2004) hin­gegen entstand in verschiedenen Laboratorien der Reproduktionsbiologie. Die Auf­nahmen sind einerseits Zeugnis der Räume und  Materialisationen einer reprodukti­ven Biologie, andererseits diskutieren sie durch ihre Inszenierung die Ideen und Fragwürdigkeit einer solchen technologischen Gestaltung.
Mit der aktuellen Werkgruppe „Kapitulation“ (2006) wird die deutliche Stringenz und gleichzeitige Offenheit der Denk- und Sichtweise von Steffen Junghans deut­lich. Weniger dokumentierend und kommentierend, ist hier die Inszenierung und Gestaltung durch den Autor offensichtlich bildkonstituierendes Element. Die Serie geht von Fragen nach der Selbstbestimmung des Individuums aus und führt durch Konstruktion und Reihung der Fotografien zu einer Diskussion über die Verände­rungen kultureller Definitionen und Bedeutungen. Auf diese Weise lotet Steffen Junghans die Möglichkeiten der Fotografie auf eigenständige und neue Weise als bildgenerierendes Medium einer Wirklichkeitsabbildung und gleichzeitigen Reflek­tion aus.

Max Schulzes Malerei ist auf den ersten Blick abstrakt, aber er schreibt ihr verschiedene Codes hoch- und subkultureller Milieus ein. So speist sich die Formensprache seiner Kunst aus dem Comic ebenso wie aus dem Informel – zwei unvereinbar scheinenden Gattungen. Die signalhafte Farbigkeit der Bilder, hier vor allem gelb-schwarz, verweist auf die Idealvorstellung von einer Welt, in der eine ebenso strikte wie einfache Reglementierung durch Warnschilder und Barrieren die Ordnung aufrecht erhält und mit der Macht von Piktogrammen und Zeichen Störfälle durch Gift, Explosionen, Strahlung, elektrische Spannung oder Verbrechen verhindert werden können. Doch in Schulzes Gemälden ist es für eine Warnung schon zu spät. Seine Bildwelt ist längst aus den Fugen geraten. Die Oberflächen wurden angegriffen, durchstoßen, zerstört und durch die Risse fallen (akribisch gemalte) Schatten auf eine weitere Ebene dahinter. Unter Verwendung von Putz-Brocken, Staubflusen oder Holzspänen, die der Künstler teils ins Bild integriert oder auf den Malgrund projiziert und von Hand überträgt, entstehen Werke im Spannungsfeld von Aleatorik und Komposition. Indem Schulze ihre Konturen comichaft überzeichnet werden zufällige Spuren betont oder spontan intuitive Gesten kommentiert. Oder der Künstler schleust Aufkleber von gefaketen Einschusslöchern in seine Malerei ein. Diese vermeintlich vorsprachlichen und vorbildlichen Zeichen entwickeln eine impulsive Dynamik und bringen die Bilder zur Explosion.“  (Dorothee Böhm)

Nanne Meyer, 1953 in Hamburg geboren, gehört zu den bedeutendsten deutschen Künstlerinnen. Ihre künstlerische Ausbildung erhielt sie an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Mehrere Stipendien und Auszeichnungen führten sie immer wieder ins europäische Ausland sowie in die USA.
Nanne Meyer hat seit 1994 eine Professur an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und lebt und arbeitet in Berlin. 2013 erhielt sie den Künstlerinnenpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für ihr Lebenswerk.

„Zeichnen ist für mich eine Form des Denkens und des Erforschens, eine Reise auf dem Papier, bei der man nie weiß, wohin sie führt“, so beschreibt die Künstlerin jenes Medium, das sie in ihrem Lebenswerk perfektionierte.
In ihren Linienspielen umschreibt sie Dinge, Gegenstände und Geschichten ihrer unmittelbaren Umgebung. Dabei tritt der Vorwand, der konkrete Gegenstand ihres Gegenübers, weitestgehend zurück und die Linie entfaltet beim Betrachter ein ganz eigenes, bisweilen sich vollständig vom Gegenständlichen lösendes, Assoziationsfeld. Ihre Linien sind gleichzeitig Metapher für die Zeit, für den Fluss der Sekunden und Minuten steht der Fluss der Linie, die sich frei auf dem Blatt entfaltet. Diese Linie wird im Nachlesen erfasst, so wie wir gewohnt sind Bücher zu lesen und die Schrift sich zu Buchstaben und Inhalten zusammenfügt.
Die Zeichnung wird bei Nanne Meyer zum Ereignis, dass sich im Kopf des Betrachters fortsetzt und entwickelt.
Nanne Meyers Zeichnungen sind poetische Netzwerke zwischen Linien und Flächen und für die Künstlerin ist dies nach wie vor ein großes experimentelles Ereignis.