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Britische Dokumentarfotografie seit den 1960er Jahren.

Fotograf*innen:

John Bulmer, Rob Bremner, Thom Corbishley, Robert Darch, Anna Fox, Ken Grant, Judy Greenway, Mohamed Hassan, Paul Hill, David Hurn, Barry Lewis, Markéta Luskačová, Kirsty Mackay, Niall McDiarmid, Daniel Meadows, Peter Mitchel, Tish Murtha, John Myers, Jon Nicholson, Kevin O’Farrell, Martin Parr, Mark Pinder, Paul Reas, Simon Roberts, Syd Shelton, Dave Sinclair, Homer Sykes, Jon Tonks

Facing Britain vereint erstmals nahezu alle wichtigen Vertreter*Innen der Britischen Dokumentarfotografie in einer großen Übersichts-Ausstellung außerhalb Großbritanniens.

Lange vergessene und erst in den letzten Jahren wiederentdeckte Positionen wie John Myers, Tish Murtha oder Peter Mitchell werden neben Arbeiten von Weltstars wie Martin Parr gezeigt. Die Schau  bietet so einen einzigartigen Einblick in die mit Kontinentaleuropa und Nordamerika verflochtenen, aber auch unabhängigen Entwicklungen auf dem Feld der Fotografie in England, Schottland, Irland und Wales. Das Dokumentarische erweist sich als eine der großen Stärken der britischen Fotografie, die einen Teil Europas im Wandel facettenreich, überraschend und künstlerisch originell abzubilden vermag. Als zeitliche Klammer für Facing Britain wurde daher bewusst die Zeitspanne der Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union und ihres Vorläufers 1963-2020 gewählt. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der aktuellen Corona-Pandemie, erweist sich die Ausstellung als Zäsur in der künstlerischen Entwicklung einer ganzen Nation.

Beschrieben werden die verschiedenen Epochen vom Niedergang der Kohleindustrie über die Thatcher-Ära mit dem Falkland-Konflikt bis hin zum Brexit, der die Insel in zwei Lager spaltet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf den von David Hurn, Tish Murtha, Daniel Meadows und Martin Parr geprägten 1970er und 1980er Jahren, als die künstlerische Dokumentarfotografie weltweit an Bedeutung gewinnt. Martin Parr beschreibt diese Jahrzehnte als „eine prägende Zeit für die britische Fotografie, in der die Stärke der Dokumentarbewegung wirklich lebendig wurde.“

In Großbritannien galt die Fotografie bis in die 1980er Jahre nicht als autonome Kunstform. Erst ab 1985 wurden Britische Fotografe*Innen in der Photographer‘s Gallery und Barbican Art Gallery in London oder dem British Council mit Ausstellungen gewürdigt.

Diese späte Ehrung der Pioniere der Britischen Dokumentarfotografie zeigte auch die Schwierigkeiten der Fotografie in Großbritannien. Insgesamt fällt es der Britischen Fotografie – abseits ihrer arrivierten Magnum-Fotografen wie David Hurn oder Martin Parr – schwer, sich auf dem internationalen Markt zu behaupten –, nicht zuletzt auch wegen der sozialkritischen oder politischen Inhalte und gesellschaftskritischen Ansätze, die etwa bei Ken Grant, Tish Murtha, Homer Sykes, Paul Reas oder Anna Fox unverkennbar sind.

Facing Britain präsentiert ein Porträt der einzigartigen Fremdartigkeit Großbritanniens – geteilt, ungleich und von Klassen durchzogen, jedoch geprägt von tiefer Zuneigung, Menschlichkeit und Humor. Die Aufnahmen sprechen für sich, legen Zeugnis von künstlerischen Konzepten und Haltungen ab und vermitteln historische Kontexte. Sie fordern eine Sicht auf das heutige Vereinigte Königreich abseits der Klischees ein. Ungleichheit und Identität sind nach wie vor die Schlüsselbegriffe, welche die Nation dominieren und definieren, was die Ausstellung aktueller denn je erscheinen lässt. Früher virulente Themen wie Jugendarbeitslosigkeit, Niedergang der Bergbauindustrie oder Protest und Demonstration gegen die Politik von Margaret Thatcher, werden in der Ausstellung historish beleuchtet und durch die beteiligten Fotograf*Innen kritisch hinterfragt. In den jüngsten Arbeiten von Kirsty Mackay, Paul Reas, Robert Darch oder Niall McDiramind spiegeln sich auch aktuelle Fragestellungen zu Themen wie Gendergerechtigkeit, Konsumgesellschaft, Rassismus, Brexit oder Migration

Ein weiterer Aspekt der Ausstellung ist der erste Blick auf Fotograf*innen und Impulse des „Black Britain“, die ihre unverwechselbare Perspektive in die britische Dokumentarfotografie einbrachten und ihren eigenen Themen eine künstlerische Stimme verliehen.

Die Ausstellung Facing Britain im Museum Goch wurde von Ralph Goertz entwickelt, der bereits Ausstellungen wie die „Martin Parr Retrospective“, „Two Rivers. Alec Soth / Joachim Brohm“, „Joel Meyerowitz Retrospective“, „Peter Lindbergh / Garry Winogrand: Women“ im NRW-Forum Düsseldorf, „Axel Hütte. Night and Day“ im Museum Kunstpalast oder aktuell „Subjekt und Objekt. Foto Rhein Ruhr“ in der Kunsthalle Düsseldorf kuratierte.

In Bilder von Kriegen geht es um die Kontinuität eines militärischen Blicks auf unsere Landschaft, die sich jederzeit in ein Instrument der Kriegführung verwandeln kann.
Bilder und Materialien aus dem Projekt werden an insgesamt vier verschiedenen Orten in der Region am Niederrhein gezeigt.
In Goch werden mittels gefundener und bei Besuchen vor Ort entstandener Aufnahmen die Veränderungen auf dem Gelände der Reichswaldkaserne dokumentiert. Die Bilder der Neu-Erschließung des Areals nach Abriss der Kaserne lassen die Grenzen zwischen einem Vorher und Nachher verschwimmen. Sie machen eine Landschaft im Umbruch sichtbar, die dauerhaft Prozessen teilweise gewaltsamer Veränderungen ausgesetzt ist.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs sollte mit der Operation Blockbuster im Frühjahr 1945 der militärische Durchbruch der alliierten Streitkräfte im Reichswald und damit der Weg zur Rheinüberquerung gelingen. Die Kämpfe dieser Zeit haben das Gros der Städte und Dörfer am Niederrhein in kompletter Zerstörung hinterlassen.
Heute hat der Begriff Blockbuster eine Bedeutungsebene, die sich auch auf die unterschiedlichen Darstellungsformate von Kriegen, deren Mediatisierung und Rezeption durch die Öffentlichkeit bezieht.
So spielt die Präsentation auf die Grenzen des Darstellbaren militärischer Szenarien an, die sich zwischen oftmals zwischen Fiktion und realen Bezügen bewegen. Als inhaltliches und metaphorisches Bindeglied für die Diskrepanz zwischen dem was sichtbar sein kann und dem was im Verborgenen bleiben soll, fungiert dabei das bis heute aktive Central Europe Pipeline System, CEPS, eine Versorgungspipeline der NATO, über die Flughäfen und andere militärische Standorte miteinander verknüpft sind. Die in verschiedenen Archiven und Sammlungen recherchierten Bilder werden mit aktuellen Fotografien relevanter Orte über Zeitlinien hinweg zu neuen Narrativen verbunden und in Installationen miteinander in Beziehung gesetzt.
Das Projekt wird durch das Land NRW, den Kulturraum Niederrhein e.V, die Stadt Goch, die Gemeinde Weeze und das Kulturamt der Stadt Neuss gefördert. Ab Ende April wird die Bühne des ASTRA-Theaters, das heute Teil des Royal Air Force Museums am Flughafen Weeze ist, mit einer Installation bespielt. In Neuss werden im September Bilder im ehemaligen ABC-Schutzraum unterhalb des Rathauses und im Atelierhaus der Stadt im Hafen inszeniert.

Jan Lemitz (*1971) lebt und arbeitet als Fotograf in Düsseldorf. Die Zusammenhänge von Landschaft, Architektur, Infrastruktur und deren fotografische Darstellungsweisen  ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Praxis.

Der Radiobeitrag WDR5 Scala von Thomas Frank ist in unserer Medienbibliothek – Tonbeiträge 2017 zu finden.

Seitz-Gray, Ursula

Die Frankfurter Fotografin Ursula Seitz-Gray erlernte die Fotografie in den 50er Jahren in Frankfurt und Köln. Mehrere Studienaufenthalte führten sie Ende der 50er bis in die 60er Jahre hinein u.a. in die französische Hauptstadt. Hier entstand, die 2019 erstmals in einem deutschen Museum gezeigte Werkgruppe von Fotografien.
Zu dieser Ausstellung ist ein Katalog mit den schwarz-weiß Fotografien entstanden.

Heimat.NRW (2018)

Seit über einem viertel Jahrhundert reist der Düsseldorfer Fotograf Horst Wackerbarth um die Welt. Mit seiner inzwischen legendären roten Couch inszeniert er unterschiedlichste Menschen vor spektakulären Kulissen und begleitet die entstandene Fotografie mit biografischen Videosequenzen.
Bis heute haben über 800 Menschen in 52 Ländern auf der roten Couch Platz genommen. Horst Wackerbarth brachte das Sofa, das ein Inbegriff für das Private und das persönliche Zuhause ist, in die Metropolen Europas, den Regenwald Südamerikas, die Dörfer Sibiriens oder in die Eiswüste Alaskas und porträtierte darauf Menschen und deren Heimat. Ziel ist es, ein Porträtwerk zu schaffen, eine Galerie der Menschheit.

2006 machte der Künstler Station in Goch. Auf Einladung der Stadt entstand die „Gocher Serie“, ein Porträt der niederrheinischen Stadt der ganz besonderen Art. Horst Wackerbarth inszenierte die von ihm ausgewählten Protagonisten in einem für sie typischen und charakteristischen Umfeld.
Dieses „Porträt“ der Stadt ist seit 2006 Bestandteil des neuen Rathauses, zu dessen Eröffnung die fotografische Serie entstanden ist.

In der „Gocher Serie“ ließ sich Wackerbarth zum ersten Mal in seinem Werk auf eine einzelne Stadt ein und schuf eine Bildserie für einen konkreten Raum, mit dem konkreten Auftrag, diese Kommune repräsentativ darzustellen.

10 Jahre später, im Jahr 2016, wurde Horst Wackerbarth beauftragt, anlässlich des 70jährigen Gründungsjubiläums des Landes Nordrhein-Westfalen, sowie des 30jährigen Jubiläum der NRW-Stiftung, in gleicher Weise ein repräsentatives „Portrait“ des Bundeslandes zu fotografieren. In nahezu 100 Fotografien stellt Wackerbarth landestypische Themen, Menschen und Orte, aber auch die Besonderheiten und Eigenarten in NRW vor. Der Künstler reiste hierfür ein Jahr lang durch alle Regionen des Bundeslandes.

In Goch wird nun die Serie nahezu komplett noch einmal zu sehen sein. Aus diesem Anlass verlassen einige Bilder der Gocher Serie nun das Rathaus und werden Teil der musealen Inszenierung. Im Gegenzug werden ausgewählte Fotoarbeiten des NRW – Zyklus im Rathaus zu sehen sein. Wir möchten damit die enge Verbundenheit Wackerbarths mit Goch sichtbar machen sowie der besonderen Bedeutung der Gocher Serie im Gesamtwerk des Künstlers gerecht werden.


(2006)
Die erste Ausstellung mit Arbeiten von Horst Wackerbarth zeigten wir im Jahr 2006. Damals zog er bereits seit über 20 Jahren mit seiner roten Couch und seiner Fotoausrüstung durch die Welt. An den entlegensten Orten entstanden faszinierende Bilder von Menschen, die der Künstler einlud, auf der Couch Platz zu nehmen. Die so entstehende „Gallery of Mankind“ ist das enzyklopädische Lebensprojekt des Düsseldorfer Foto- und Videokünstlers. Kontinent für Kontinent durchreiste er und hat inzwischen die Vereinigten Staaten sowie Europa in faszinierenden Bildserien zusammengefasst.

Für ihr neues Rathaus beauftragte die Stadt den Künstler mit einer Serie von 26 Fotoarbeiten, die nun schon lange ihren Platz im Gocher Verwaltungsbau gefunden haben.
Platz genommen auf der Couch haben Gocher Bürgerinnen und Bürger, die Wackerbarth stellvertretend für die Bevölkerung der niederrheinischen Stadt portraitierte. So unterschiedlich die städtische Struktur ist, so unterschiedlich sind die Menschen, die Wackerbarth auswählte. Diese vertreten von nun an die Bürgerschaft und nehmen damit den Rathaus Neubau symbolisch für alle in Besitz. Zum ersten Mal schaffte Wackerbarth damit Bilder für ein konkretes Haus. Dies bedeutete einen ganz anderen Blick auf die Gesamtkomposition zu haben, als dies bei seinen großen Kontinentprojekten möglich war. Zum ersten Mal reiste Horst Wackerbarth für diese Bildserie nicht von Motiv zu Motiv, sondern er selbst hat Platz genommen in dieser Stadt, an einem Ort, der ihn für mehrere Wochen mit immer neuen Menschen und Plätzen konfrontierte.

Die rote Couch wurde für Goch über viele Monate zum Kommunikationsort für Menschen, die sich zuvor nichts zu sagen hatten. Wieder einmal schaffte die rote Couch etwas Bemerkenswertes: sie verführte die Menschen zum Erzählen. Sie erzählten Geschichten, ihre Geschichte und vieles mehr.

 

Jürgen Schadeberg gehört zu den großen Fotografen des 20. Jahrhunderts. Er wurde 1931 in Berlin geboren und bereits als Jugendlicher arbeitete er für die Deutsche Presseagentur. 1950 emigrierte er nach Südafrika. Hier wurde er als freier Fotograf zu einer der zentralen Figuren des einflussreichen Drum Magazins, als einer der wenigen Weißen in der Bildredaktion.

Berühmt wurde Schadeberg durch seine fotografischen Serien, in denen er das Leben der Südafrikaner inmitten des Apartheidregimes portraitierte. Die Begegnung mit dem damals noch jungen Nelson Mandela ließ Schadeberg zu einem wichtigen Fotografen der Antiapartheidsbewegung werden. Mit seinen Fotografien begleitete er den Weg ganzer Generationen im Kampf gegen die Unterdrückung und seine Fotografien wirkten nachhaltig im westlichen Ausland.

In Jürgen Schadebergs Werk befindet sich stets der Mensch im Mittelpunkt. Es sind nicht die Bauwerke, die berühmten Architekturen und Tourismusbilder, die ihn herausfordern sondern der einzelne Mensch in seiner Persönlichkeit und Würde.

Dieser Grundzug findet sich auch in der Serie wieder, die der Künstler mit  „VIVA EUROPA VIVA“ bezeichnet. So entstand ein fotografisches Werk über die Menschen des Kontinents. Der Blick in die Augen, auf die Feste, die Märkte, das Leben im Privaten wie im Öffentlichen, dies vereint sich zu einem einmaligen Bild von Europa.

Es ist eine Hommage an die Vielfalt und die Lebendigkeit des Kontinents im Angesicht großer gesellschaftlicher Veränderungen.

Anja Niedringhaus, 1965 in Höxter geboren, entschied sich früh für den journalistischen Beruf. Bereits mit 17 begann sie für die Neue Westfälische Zeitung ihrer Heimatstadt zu schreiben. In Göttingen studierte sie Germanistik, Philosophie und Journalismus.
Fortan wurde Anja Niedringhaus mit Fotoserien aus den verschiedensten Kriegsgebieten rund um den Globus bekannt. Sie berichtete aus Jugoslawien, Palästina, Afghanistan, Kuweit, Libyen oder dem Irak. Dabei geriet ist immer wieder zwischen die Fronten und mehrfach lebensgefährlich verwundet. 1999 wurde sie mit einer Gruppe von Kollegen im Grenzgebiet zwischen Albanien und dem Kosovo irrtümlich von Flugzeugen der NATO bombardiert. 2001 fotografierte sie die Folgen des Terroranschlags vom 11. September in New York.
2005 wurde sie mit weiteren Journalisten für ihre Berichterstattung mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet.
Am 4. April 2014 wurde Anja Niedringhaus in Afghanistan erschossen. Sie war unterwegs, um von den ersten Präsidentschaftswahlen zu berichten, als ein Polizist mit den Worten „Allahu Akbar“ eine Feuersalve auf sie und ihre Kollegin abgab. Der Schütze gab an, aus Rache für den Tod von Familienangehörigen durch Natoverbän-de gehandelt zu haben.
Seit 2014 wird der Anja-Niedringhaus-Preis als Auszeichnung für Fotojournalistinnen vergeben.

Das Museum Goch zeigt 40 Fotografien aus der Serie „Geliebtes Afghanistan“. Damit setzen wir unsere lose Ausstellungsreihe zum Thema der zeitgenössischen Fotografie fort. 2010 zeigten wir im Rahmen der umfangreichen Übersichtsausstellung zur südafrikanischen Fotografie u.a. den Bildjournalisten Sam Nzima, der 1976 mit seinem Foto aus Soweto vom sterbenden Hector Pieterson eine Ikone der Gegenwartsfotografie schuf. Mit Jodi Bieber oder Cedric Nunn waren international bekannte Fotografen im Museum Goch zu Gast und erst jüngst haben wir mit einer Serie „VIVA EUROPA VIVA“ des deutschen Fotografen Jürgen Schadeberg das Thema der journalistischen Fotografie zwischen Bildjournalismus und künstlerischer Fotografie gewürdigt.
Mit ihren eindringlichen Fotos erzählt die Journalistin von der erdrückenden Realität in Afghanistan, das bis heute zwischen ersten demokratischen Schritten und der Brutalität der Taliban nicht zur Ruhe kommt. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung beschrieb Anja Niedringhaus noch wenige Wochen vor ihrem Tod auf die Frage, wie sie diese Realität überhaupt verarbeite, „Ich passe auf, dass ich nicht zu viele Emotionen hineinbringe. Immer wieder mache ich mir bewusst, dass ich nicht die Hauptfigur bin. Ich soll nur draußen stehen und erzählen. Außerdem spreche ich viel mit Kollegen, um mir Sachen von der Seele zu reden. Manchmal versteht man erst viel später, beim Editieren der Fotos, was man überhaupt gesehen hat. Die Szenen kommen dann mit voller Wucht zurück. Da muss man aufpassen“.
Anja Niedringhaus hat mit ihrer Fotografie unser Bild von Afghanistan wesentlich geprägt. Mehr als Worte haben sich ihre Bilder in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt. Dabei zeugen diese Fotos keineswegs nur von Gewalt und Terror. Sie zeigen auch den liebvollen Blick der Journalistin auf ein Land, das sie selbst immer wieder bereiste. Sie wolle mit ihren Bildern Geschichten erzählen, Geschichten, die sie als Zeitzeugin erleben durfte: „Kriege und Krisen haben viele Facetten, die man beleuchten muss. Doch die interessanten Geschichten passieren oft nicht im Feuergefecht. Ich bin viel mehr am Leben der Leute vor Ort interessiert als an der Ballerei. Ich sitze sicher nicht hier und warte auf den nächsten Anschlag.“

Die Ausstellung stellte exemplarisch das Werk des Leipziger Fotografen Steffen Jung­hans vor. Im Mittelpunkt standen seine bislang wichtigsten Werkgruppen „Einrich­ten“, „Moderne Werkstätten“ und „Kapitulation“, die einen konzentrierten Einblick in sein bildnerisches Denken bieten. Ausgehend von den aktuellen Arbeiten machte die Ausstellung die Vielfalt und die Besonderheit in der Entwicklung seiner visuellen Ideen deutlich.
Steffen Junghans hat – gerade auch in Zeiten digitaler Fotografie – ein zeitgemäßes traditionelles Fotografieverständnis. Er versteht sich als analog operierender Licht­bildner, der Phänomene vor der Kamera sucht und inszeniert, um sie zu einem Bild zu verdichten. Dabei ist er weniger Dokumentarist als Essayist. So wie die Einzelbil­der in ihrer luziden Präzision weitaus mehr als ein bloßes Abbild sind, verdeutlichen die einzelnen Serien und Bilderreihen komplexe Diskurse zu verschiedenen Themen­feldern.
„Einrichten“ (2001) zeigt verschiedene Räume der Universität Leipzig und unter­sucht durch Motiv und Komposition die Tradition wie Perspektive wissenschaftlicher Modelle und deren Verhältnis zum Menschen. „Moderne Werkstätten“ (2004) hin­gegen entstand in verschiedenen Laboratorien der Reproduktionsbiologie. Die Auf­nahmen sind einerseits Zeugnis der Räume und  Materialisationen einer reprodukti­ven Biologie, andererseits diskutieren sie durch ihre Inszenierung die Ideen und Fragwürdigkeit einer solchen technologischen Gestaltung.
Mit der aktuellen Werkgruppe „Kapitulation“ (2006) wird die deutliche Stringenz und gleichzeitige Offenheit der Denk- und Sichtweise von Steffen Junghans deut­lich. Weniger dokumentierend und kommentierend, ist hier die Inszenierung und Gestaltung durch den Autor offensichtlich bildkonstituierendes Element. Die Serie geht von Fragen nach der Selbstbestimmung des Individuums aus und führt durch Konstruktion und Reihung der Fotografien zu einer Diskussion über die Verände­rungen kultureller Definitionen und Bedeutungen. Auf diese Weise lotet Steffen Junghans die Möglichkeiten der Fotografie auf eigenständige und neue Weise als bildgenerierendes Medium einer Wirklichkeitsabbildung und gleichzeitigen Reflek­tion aus.

Eine Reise von Budapest nach München, 2015

Mit Pavel Wolberg (geboren 1966 in Leningrad, 2015 Stipendiat der Kunststiftung NRW und Bronner Residency für Visuelle Kunst) zeigen wir die Arbeiten eines Künstlers, den wir bereits 2002 in einer Gruppenausstellung präsentierten.
Im Jahr 2015 entstand die Fotoreihe des israelischen Künstlers auf der Fahrt von Budapest nach München. Pavel Wolberg stellt uns Menschen eindringlich vor Augen, die aus lebensbedrohenden Situationen geflohen sind und sich auf der Bahnfahrt zur erhofften Rettung und Sicherheit befinden. Manche der Bilder verstören, lösen in Deutschland und Osteuropa Assoziationen zu historischen Fotografien aus, wie wir sie aus der Judenverfolgung und -deportation des Nationalsozialismus kennen. Sie verwischen die Grenze zwischen Geschichte und Gegenwart.
Viele Bilder erzählen detailreich Stationen und Ereignisse dieser Reise, andere sind abstrahierte Momentaufnahmen, lassen sich als melancholische Impressionen betrachten.
Die Reisefotografien werden ergänzt durch eine Fotografie aus der Museumssammlung, Be’er Sheva Market von 2012 (Beduinenmarkt in der Stadt Be‘er Sheva in der Negevwüste) und einer Leihgabe aus Privatbesitz, Abkhazia (Abchasien) von 2015.

Der Frankfurter Fotograf Peter Loewy zeichnet sich in seiner Fotografie durch einen höchst sensiblen und eher stillen und leisen Zugang zu den Dingen aus, denen er sich nähert. Es sind meist Werkgruppen, in die sich sein Werk einteilen lässt, Bildserien wie etwa die Dokumentation des Frankfurter IG Farben Hochhauses oder die „private collection“ bei der Loewy die Ateliers von ihm geschätzten Künstlerinnen und Künstler porträtiert.

In der in Goch erstmals präsentierten Werkgruppe wählte Peter Loewy 150 Fotos aus seinem Handymagazin aus und stellt sie in die Öffentlichkeit des Museums. Wie verändert sich unser Blick, unsere Wahrnehmung, wie ordnet sich die Handyfotografie in die Geschichte der Fotografie ein, diese und weitere Fragen stellen wir in dieser Ausstellung zur Diskussion.

Zur Ausstellung erschien ein Katalog im Pagina Verlag mit einem Beitrag von Christiane Kuhlmann. Das Buch umfasst 150 Fotografien sowie die Texte in deutscher und englischer Sprache.

Die erste Ausstellung mit Werken von Peter Loewy war vom 26.2. bis 12.6.2010 im Museum Goch zu sehen.

Im Jahr 2013 widmen wir der 1966 in Johannesburg geborenen Künstlerin Jodi Bieber in Kooperation mit dem Stadthaus Ulm eine umfangreiche Einzelausstellung – die erste in Deutschland.

Wir präsentieren die großen Werkzyklen und zeigen damit die ganze Bandbreite von Jodi Biebers fotografischem Schaffen der vergangenen 15 Jahren.
Die gesellschaftlich Themen, denen sie sich in ihren Arbeiten widmet, kreisen immer um die soziale Ungerechtigkeit und das Miteinander der Menschen. Ob es sich um den latent mit Angst besetzte Alltag von Kinder und Jugendlichen in Südafrika handelt, oder sie sich mit ihren Frauenportraits mit dem neuen Selbstbewusstsein der Frau beschäftigt, Jodi Bieber diskutiert in ihren Arbeiten die gesellschaftliche Realität unserer Zeit. Als Fotografin ist sie weltweit unterwegs, mit ihren Arbeiten aus Asien oder Europa hat Sie immer wieder Diskussionen angeregt. Ihre Fokus aber bleibt nach wie der afrikanische Kontinent, wo so bedeutende Serien, wie „Real Beauty“ oder„Survivors of Domestic Violence“ entstanden, in denen sie den Opfern häuslicher Gewalt ein eindringliches Denkmal setzt.

Die in Johannesburg aufgewachsene Jodi Bieber absolvierte ihre Fotografen-Ausbildung zunächst am Market Photography Workshop in Johannesburg, einer 1989 von David Goldblatt gegründeten Fotoschule und Galerie. 1993 ging sie zur damals größten Tageszeitung Südafrikas The Star in Johannesburg, wo sie zunächst unter der Leitung von Ken Oosterbroek weiter ausgebildet wurde. Für The Star arbeitete sie auch während der ersten freien demokratischen Wahlen Südafrikas. Der internationale Durchbruch gelang Jodi Bieber drei Jahre später: 1996 wurde sie eingeladen, an der Masterclass von World Press Photo in Amsterdam teilzunehmen, einer von Joop Swart initiierten, weltweit renommierten Fortbildung für junge, hoch begabte Fotografen unter der Leitung von etablierten Fotojournalisten. Nachfolgend bekam Jodi Bieber Aufträge von Zeitschriften wie dem New York Times Magazine, GEO oder dem Stern, auch arbeitet sie für Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder amnesty international.

Die Ausstellung wird realisiert in Kooperation mit dem Stadthaus Ulm.