Lüer, Thomas (2017)

Thomas Lüers Arbeiten nähern sich mit einer zuweilen minimalistischen Reduktion ihrem Gegenstand an – dabei handelt es sich oft nur um einen einfachen Ausschnitt, ein winziges Detail aus einem größeren Zusammenhang. Wie beiläufig beobachtet er alltägliche Phänomene in verschiedenen Arbeitswelten oder im öffentlichen Raum. Mit subtiler Präzision macht der Künstler sichtbar, was oft verborgen bleibt: Licht. Wind. Kleinste Teilchen. Zugleich werden durch seine Pars-pro-toto-Strategie soziologische, wissenschaftstheoretische oder semiotische Fragestellungen aufgegriffen.

Lüer denkt seine Arbeiten, wie nun auch für das Museum Goch für jeden Ausstellungsort neu. Er arbeitet jedoch nicht ortsspezifisch, sondern situationsspezifisch.

ROTATION II, 2017

Rotation II widmet sich, wie bereits Rotation I, der Auseinandersetzung mit visuellen Mustern und den damit verbundenen Prozessen von Wahrnehmung und Erkenntnis. Als installative Setzung im Raum changiert die Arbeit bewusst zwischen skulpturalem Objekt und technischer Apparatur. Auf einem Ring sind in konstanten Abständen metallische Zylinder angeordnet, aus deren Innerem punktuell Lichtimpulse sichtbar werden. Die Abfolge der Lichtsignale erscheint weitestgehend chaotisch, eine Vorhersage, an welcher Stelle das nächste Ereignis auftreten wird, scheint unmöglich. Der Betrachter sieht sich zurückgeworfen auf die Position des externen Beobachters eines Black-Box-Systems, dessen innere Arbeitsprinzipien letztlich verborgen bleiben. Fragen nach den Bedingungen und der Bestimmbarkeit von informativen Codes wie auch von Zufälligkeit rücken in den Fokus. Angesichts der klaren formalen Anlage der Arbeit manifestieren sich gleichwohl essentielle Gegensätze und Ambivalenzen, etwa zwischen der Materialität und Statik der Konstruktion und dem immateriellen Charakter der einer eigen Dynamik folgenden Lichterscheinungen. Rotation II fragt damit letztlich nach den Beziehungen und Divergenzen zwischen einer dinglichen Welt und der Sphäre der Erscheinungen.

HELIX, 2012 

Helix kreist um grundsätzliche Fragen der Produktion und Rezeption von Bildern und bezieht sich auf ein analoges Verfahren der Bildwiedergabe aus den 1930er Jahren. Dabei wird mittels einer rotierenden Spiegelschraube ein Bild jeweils partiell auf einen Bildschirm umgelenkt, wo es in der Wahrnehmung wieder zur Gesamtheit gelangt. Thomas Lüers raumgreifende Skulptur verweist in ihrer schraubenartig gedrehten Form wie auch den spiegelnden Oberflächen auf dieses Verfahren, weicht aber zugleich in zwei entscheidenden Punkten von dem „Vorbild“ ab. Einerseits ist Lüers Skulptur statisch, führt also keine Rotationsbewegung aus, zum anderen gibt es keinen projizierenden Lichtstrahl, der auf die spiegelnden Außenflächen der Skulptur geworfen wird. Helix unterläuft als skulpturale Setzung jene Funktionszusammenhänge, wie sie ursprünglich mit der Bildübertragung verbunden sind.
Ein bestimmendes Moment dieser Arbeit ist ihre Stellung im Raum. Dieser wird von der Skulptur nahezu vollständig ausgefüllt, auf die Funktion auf eine umschließende Box reduziert. Dem Betrachter ist der Zutritt geradezu verstellt und jede Möglichkeit genommen, den rückwärtigen Bereich der Skulptur einzusehen. Der Rezipient bleibt buchstäblich ein „Außenstehender“, sein Blick auf die spiegelnde Vorderseite der Skulptur beschränkt. Hier wird auf den gegeneinander verschobenen Lamellen ein vielfach gebrochenes Spiegelbild sichtbar, dessen Konstellationen sich in Abhängigkeit von der Position des Betrachters radikal verschieben. Ein gesicherter Standpunkt ist nicht zu gewinnen. (Reinhard Buskies)

SPIN, 2010

Die Videoinstallation „Spin“ (Foto oben) beginnt mit einer Bildfolge sich drehender Gänge, in denen man nur für kurze Augenblicke zwei sich bewegende Gestalten erkennen kann. Allerdings ist die Bewegung für unser Gehirn zu schnell um tatsächlich Details wahrnehmen zu können. Daran anschließend erscheint ein kurzer Ausschnitt der identischen Bildfolge, dieses mal jedoch in extremer Zeitdehnung, so als wäre ein imaginierter Betrachter entschlossen, ein ganz bestimmtes Detail des dokumentierten Vorganges auf keinen Fall zu verpassen. Diese Installation ist an einen Versuchsaufbau angelehnt, der in der Kognitionsforschung verwendet wird. Bei diesem Experiment wird die Lernfähigkeit der Versuchstiere erforscht. Das Maze (ein verwinkelter Versuchsaufbau) besteht aus 8 Armen. Am Ende nur eines Ganges befindet sich eine Belohnung. Je schneller diese gefunden wird, um so besser wird die individuelle Leistung des Tieres bewertet. Die zwei Figuren in Lüers Projektion gelangen nie in die Nähe des Betrachters, sprich in die Nähe des Ausgangs. Die Drehbewegung fragmentiert ihre Bewegungen, die immer wieder abgeschnitten und doch wiederholt werden, und so gerinnt das Experiment zum Abbild einer beunruhigenden Laterna magica.

Siehe auch: www.thomaslueer.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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