Wiedmer, Paul (2016)
Paul Wiedmer, geboren 1947 in Burgdorf (CH) erhält seine ersten künstlerischen Impulse als Assistent von Bernhard Luginbühl. Schon bald lernt er in Paris Jean Tinguely kennen. Gemeinsam mit Daniel Spoerri, Niki de Saint Phalle wird das künstlerische Umfeld definiert, das Paul Wiedmer in seiner Arbeit nachhaltig beeinflusst und geprägt hat und in das er seine Impulse weitergegeben hat.
Das Werk des Paul Wiedmer ist bereits in zahlreichen Ausstellungen vorgestellt und gewürdigt wurden. Allein in Deutschland blieb bisher eine umfangreichere Rezeption weitgehend aus.
Das Museum Goch möchte im Sommer 2016 erstmals die Werkgruppe der objets boudlés in Deutschland zeigen.
Die 26 Skulpturen entstanden zwischen 1974 und 1976. Bereits 1977 wurden sie erstmals in Zofingen gezeigt. Die Idee zu den Werken entstand 1973 auf einer Reise durch Amerika. Paul Wiedmer erinnert sich, dass er dort zum ersten Mal Metalldetektoren sah, die ihn sofort animierten, wie ein Schatzsucher selbst auf Forschungsreise durch die Schweiz zu gehen. Und so durchkämmte Wiedmer seit 1974 den Schweizer Boden und zwar systematisch, d.h. Kantonsweise. Die so entdeckten und an die Oberfläche gebrachten Relikte formte er zu neuen eigenständigen Arbeiten. Auf diese Weise bekam jeder Kanton eine ihm eigene Skulptur.
Diese lokale kantonale Zuordnung ist ein kreatives Spiel, denn es lässt sich kaum eine eigene Genealogie des jeweiligen Kantons aus den Fundstücken ableiten. Die eigentliche Bedeutung der objets boudlés liegt in ihrer Kraft als autonome Kunstwerke. Sie sind im Kontext der Arbeiten von Bernhard Luginbühl oder auch David Smith zu sehen. Die Metallplastiken sind dreidimensionale Skulptur und Zeichnung gleichermaßen. Sie sind Raumzeichnungen, die im Kontext der internationalen Skulptur gesehen werden muss.
Wie bereits von Pablo Picasso oder auch Julio Gonzales in den 30er Jahren formuliert, verliert der gefundene Gegenstand seine eigene Gegenständlichkeit und wird in eine neue Realität überführt. Dabei sucht Wiedmer, anders als seine Vorläufer in diesen Kantonsarbeiten nicht eine neue gegenständliche Welt. Die Form an sich, die rohe Materialität ist das Ziel. Die Zufälligkeit der ausgegrabenen Gegenstände entwickelt aus sich heraus eine neue Form, spielerisch fügen sich Einzelteile zu einem neuen zusammen und geben ihre eigentliche Bestimmung auf, werden auch bis zu Unkenntlichkeit verarbeitet.
In der Raumauffassung und Erschließung des Raumes folgt Paul Wiedmer den Traditionen seiner Vorgänger. Aber auch hier ist es nicht die Erfindung einer neuen Geschichte, einer surrealen Weltfindung, wie man sie zum Beispiel beim frühen Giacometti findet. Es ist vor allem das spielerische Element, das Paul Wiedmer in die künstlerische Nähe von seinem Lehrer Bernhard Luginbühl oder auch Jean Tinguely führt.
Jenseits der kunsthistorischen Bedeutung Paul Wiedmers verweisen die objets boudlés in ihrem konzeptionellen Ursprung auf einen weiteren Aspekt. Die Objekte machen es einmal mehr sichtbar, wie sehr der Boden auf dem wir leben zum Speicher unserer eigenen Vergangenheit wird. Was einst mühsam zum täglichen Broterwerb diente oder auch achtlos weggeworfen wurde, wird von Paul Wiedmer in einen neuen ästhetischen Sinnzusammenhang überführt und zum zweckfreien Kunstwerk transformiert.
So sind die objets boudlés auch Sinnbilder unserer kulturellen Landschaft und damit bedeutsame Repräsentanten eines jeden Schweizer Kantons.
Die Ausstellung wird erstmals den Zyklus der objets boudlés mit Zeichnungen aus dem Atelier Paul Wiedmers konfrontieren. Hierdurch wird die autonome Kraft der Skulpturen einerseits und die künstlerische Kontinuität innerhalb des Werks von Paul Wiedmer anderseits herausgearbeitet.
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